Grüne Gourmets sind im Kommen

Steuern wir auf den Aufbruch in eine pflanzenbasierte Gastronomie zu?

Eine pflanzenbasierte Küche ist gut für die Gesundheit und die Umwelt und meist auch für den Wareneinsatz. Auf der Speisekarte völlig auf Fleisch zu verzichten, ist für viele dennoch undenkbar. Doch immer mehr Gastronomen setzen darauf, auch in der Sterneküche.

Für alle Fleischliebhaber die gute Nachricht vorweg; So schnell verschwindet Fleisch nicht von der Speisekarte. Aber die Speisekarte wird gemüse- und getreidereicher werden müssen, wenn man Gäste halten und neue, junge dazugewinnen will.

Was dem Menschen und dem Planeten guttut
Wissenschaftliche Studien zeigen schon lange: Täglicher Konsum von Wurstprodukten und rotem Fleisch wie Schweine- und Rindfleisch erhöht signifikant das Risiko für Krebs, Herzinfarkt und Diabetes 2. Andersrum schaffen es Lebensmittel wie Nüsse, Hülsenfrüchte, Obst, Gemüse und Vollkornprodukte, das Krankheitsrisiko zu senken.
Was zu tun ist, um unsere Gesundheit zu erhalten, ist daher klar. "The Lancet", eine der ältesten und renommiertesten medizinischen Fachzeitschriften, ist mit der Gründung der EAT-Lancet-Kommission aber noch einen Schritt weitergegangen: 37 Wissenschaftler aus unterschiedlichen Disziplinen und 16 Ländern, darunter Klimaforscher und Ernährungswissenschaftler, haben bereits 2019 einen Speiseplan erarbeitet, der die Gesundheit des Menschen und des Planeten gleichermaßen schützt. Und es zeigt kein überraschendes Bild: Damit auch die Grenzen des Planeten eingehalten werden, müsste der Konsum von Obst und Gemüse, Hülsenfrüchten und Nüssen ungefähr verdoppelt werden, der Verzehr von Fleisch und Zucker dagegen halbiert.
Gerade die Herstellung tierischer Produkte benötigt unter anderem durch den Einsatz von Kraftfutter sehr viele Ressourcen und trägt verstärkt zum CO²-Ausstoß bei. Ausnahmen bietet nur eine weidegeprägte Tierhaltung ohne Zufütterung.
Dass wir aufwendig hergestellte und transportierte Lebensmittel auch zur Gänze verzehren und nicht wegwerfen, liegt zwar auf der Hand, fällt in der Umsetzung aber schwer. Abfallvermeidung zählt daher neben der Wahl regional hergestellter Produkte zu den wichtigen Maßnahmen, um in der Küche umweltgerecht zu handeln.

Die Antwort der Gastronomie
Eigentlich ist die Geschichte nicht ganz neu. Es gibt einige, die es schon lange vormachen: Hiltl in Zürich zum Beispiel. 1898 als "Vegetarierheim und Abstinenz-Cafè" eröffnet, wurde es zu Beginn nur von gesundheitlich angeschlagenen Gästen und auf ärztlichen Rat hin besuch. Heute lädt es in vierter Generation betrieben, als hippen In-Lokal mit Take-away, Bar-Lounge und Club von frühmorgens bis spätnachts zum gesunden Genuss ein. 2017 eröffnete Hiltl sogar die Veggi-Metzgerei - fleischlos, versteht sich.
Ein anderes Beispiel: das Jola in Mailand, 1989 vom Italo-Schweizer Pietro Leemann gegründet. Nach der klassischen Kochkarriere verbrachte er zwei prägende Jahre in Asien und eröffnete nach seiner Rückkehr in Mailand ein vegetarisches Restaurant. Zunächst belächelt, kam 1996 de Stern. Und 2016 die "Accademia della cucina vegetariana".
Ebenfalls mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet ist die Küche des Tirolers Paul Ivic, Jahrgang 1978. 2011 übernahm er das Tiran in Wien als rein vegetarisches Restaurant, 2014 erhielt er einen Stern und drei Hauben. Mehrere angesagte Kochbücher zur vegetarischen Küche folgten.
Gesundes und umweltbewusstes Essen schmeckt also auch dem feinen Gourmet-Gaumen. Trotzdem bilden sich noch die Minderheit, jene Köchinnen und Köche, welche gern, gut und abwechslungsreich vegetarisch kochen.

Das tut sich in Südtirol
Zarte Ansätze sind aber auch in Südtirol zu erkennen. So bietet beispielsweise Kurt Resch in seinem Bio-Hotel Steineggerhof in Steinegg nicht nur Hotelgästen vegetarische, vorwiegend sogar vegane Küche an und hat seine Erfahrungen im "Steinegger Kochbuch" zusammengefasst. Im Hotel Paradiso auf de Seiser Alm laden Mauro Massei und Grazia Bianchi zum vegetarischen Genuss, und das La Vimea in Naturns setzt sogar zur Gänze auf vegane Kost.
Die Gruppe Südtiroler Gasthaus hat mit der jährlichen Aktion Sommerfrische ein Zeichen in Richtung vegetarische Küche gesetzt, die Angebotsgruppe der Vitalpina-Hotels wird ihr kulinarisches Angebot stark in Richtung pflanzenbasiert weiterentwickeln - und auch Sternekoch Herbert Hintner hat gemeinsam mit seinem Sohn Daniel sein erstes vegetarisches Kochbuch auf den Markt gebracht.

Die Südtiroler Speisekarte der Zukunft
Eines muss uns bewusst sein: Die Themen Gesundheit und Umweltbewusstsein, vor allem bei der Jugend, sind keine schnell vorübergehenden Moden. Nein, sie zählen zu den Megatrends, wie Zukunftsforscher bestätigen, und werden die Gesellschaft in den nächsten Jahren und Jahrzehnten noch stärker prägen.
Warum also nicht heute schon die bunte und schmackhafte Vielfalt an pflanzlichen Lebensmitteln neu betrachten und die Speisekarte damit bereichern? Einen (gut schmeckenden) Versuch ist es allemal wert.

Download PDF Torna a tutti gli articoli del giornale del piacere