Die Komfortzone verlassen: So klappt's mit der Generation Z.

Warum Egon Heiss mit den Jungen laufen geht. Wie Ronja Eschgfeller die Teller für Instagram verändert. Und bei welchem Satz Emma Fauster in die Luft geht. Ein Gespräch, das aufhorchen lässt. Aufgezeichnet im Gustelier – Atelier für Geschmackserfahrung in Bozen, frühmorgens beim Kaffee.

Es ist 8 Uhr früh. Ronja hat den Zeitpunkt bestimmt. Geben die Jungen jetzt den Ton an?
Ronja Eschgfeller: Nein, noch haben die Alten das Sagen, ich meine, die ältere Generation ...

Sie gehören als Jahrgang 1975 zu den „Alten“, Egon Heiss. Wie ist es, mit den Jungen der Generation Z zusammenzuarbeiten?
Egon Heiss: Mein Küchenteam besteht praktisch aus Gen Z. Neun Mitarbeitende um die 20. Das funktioniert sensationell. Das Wichtigste ist: Du darfst den Jungen nicht vorpredigen, du musst die Arbeit vorleben.

Was genau heißt sensationell?
Heiss: Ich setze sie so ein, wie ich es für sinnvoll halte. Ich führe sie. Ein Beispiel: Wir arbeiten mit 16 Klein- und Kleinstlieferanten zusammen. Jeden Tag telefoniere ich mit denen und frage, was sie liefern können. Mit den Notizen gehe ich dann in die Küche und frage: Das ist euer Fundus, was macht ihr aus diesen Ingredienzien? Dann kommen da hundert tausend Ideen, und im Grunde bestimmen die Jungen, was gekocht wird. Ich achte nur darauf, dass es einen roten Faden gibt. Mit gestandenen Köchen kannst du das kaum so machen. Die Jungen aber sehen in allem eine Challenge. Das macht ihnen Spaß. Und mir auch.

Es gibt das Vorurteil, die Gen Z ist eher auf Freizeit als auf Arbeit bedacht. Gehen wir doch goldenen Zeiten entgegen?
Emma Fauster: Die Gen Z wird oft unterschätzt. Wir, ich gehöre ja auch dazu, sind sicher anders gepolt als die Baby Boomer. Die Boomer haben ihren Lebensmittelpunkt in der Arbeit gesehen. Wir sind im Wohlstand aufgewachsen und damit manchmal auch überfordert. Grundsätzlich sehe ich bei uns im Hotel: Die Generation Z ist motiviert, wissbegierig, sie will sich weiterbilden. Und sie braucht Führung, wie Egon sagt.
Eschgfeller: Stimmt. Ich mag Verantwortung, aber es ist für mich wichtig, dass mir ein Weg vorgegeben wird, dass ich weiß, woran ich mich halten muss. Ich sehe mich persönlich zu jung, um „große“ Verantwortung zu übernehmen. Also ja, Führung ist sehr wichtig

Frau Fauster, Sie sind Generation Z und gleichzeitig als Nachfolgerin in der Führungsrolle. Führen Sie anders als ihre Eltern?
Fauster: Ich bin viel mehr im persönlichen Kontakt mit den Mit arbeitenden. Man geht öfter was trinken nach der Arbeit, man setzt sich zusammen. Wir haben fast schon ein freundschaftliches Verhältnis. Das hat Vor- und Nachteile, ist aber schön. Schwieriger ist es mit den langjährigen Mitarbeitenden. Die haben mich „mit erzogen“, und jetzt bestimme ich manchmal etwas. Es kommt halt darauf an, wie man miteinander umgeht.

Was Sie beschreiben, entspricht gar nicht dem Bild, das wir aus Studien kennen. Erleben wir in der Gastronomie und Ho tellerie schon die Umwertung der Werte?
Heiss: Klar, wir passen uns an. Kinder müssen heute wenig leisten, um das zu kriegen, was sie wollen. Aber bei mir in der Küche sehe ich trotzdem, die Jungen wollen leisten. Die wollen arbeiten. Die wollen Ergebnisse erzielen. Ich denke, in der Gastronomie haben wir früher viel falsch gemacht. Heute gibt es Zeiten, wo wir arbeiten, viel arbeiten, aber es gibt auch die Freizeit. Und diese Freizeit ist heilig.

Heilig für die Jungen?
Heiss: Für uns alle! Wir müssen lernen, jetzt steht auf dem Dienstkalender: Freizeit! Und das ist dann auch die Zeit für mich und für meine Familie. Wenn ich meinen Mitarbeitenden sage, kümmere du dich, ich habe jetzt Freizeit, dann wachsen die daran, dass ich ihnen das zutraue.

Die Qualität eines guten Chefs sieht man darin, dass er ihnen das zutraut. Es gibt doch eine militärische Hierarchie in der Küche. Wird das heute akzeptiert?
Heiss: Jein. Der Ton hat sich stark verändert, er ist heute „bitte“ und „danke“ und „gerne“. Und bei der Hierarchie muss man das Mittelmaß finden. Ich mache täglich ein Briefing mit jedem einzeln: Zehn Minuten reden wir über das Tagesgeschäft, 15 Minuten über das persönliche Befinden. Da kommt viel Persönliches zur Sprache. Tagsüber können sie in der Küche Musik hören und singen. Am Abend aber wissen alle, von 19 bis 22 Uhr herrscht eine strenge Hierarchie. Man muss einen Mix aus Freundschaft und Hierarchie finden. Nicht ganz einfach, aber wichtig für die gute Stimmung. Und die Stimmung ist das Um und Auf.

Frau Fauster, trauen Sie sich zu sagen, jetzt habe ich Freizeit?
Fauster: Ja, das tue ich. Als meine Schwester und ich in den Be trieb gekommen sind, haben wir darum kämpfen müssen, dass unsere Eltern sich einen freien Tag nehmen. 25 Jahre lang war es für sie normal durchzuarbeiten. Jetzt können sie sich nicht mehr vorstellen, keinen freien Tag zu haben. Ein freier Tag in der Woche ist für jeden wichtig, egal ob jung oder alt.

Wie sind denn Ihre Arbeitszeiten, Frau Eschgfeller?
Eschgfeller: Wir haben die Fünf-Tage-Woche. Alle haben zwei fixe Tage in der Woche frei. Bei mir sind es Samstag und Sonntag, dafür bin ich sehr dankbar.

War das der Grund, dass Sie im Resort Feuerstein arbeiten?
Eschgfeller: Nein, aber es spielt eine Rolle. Ausschlaggebend ist, dass Küchenchefin Tina Marcelli mir sofort viel Verantwortung übertragen hat. Ich fühle mich wertgeschätzt. Ich habe gute Kollegen bei der Arbeit, mit denen ich reden kann, und wenn ich etwas brauche, kann ich auf die zählen. Mit vielen bin ich inzwischen befreundet. Wenn man jeden Tag elf oder zwölf Stunden zusammen ist, reicht es nicht, nur „guten Morgen“ zu sagen.

Ihr seid eine Social Media Generation. Alles muss instagrammable sein. Sagen Sie Tina Marcelli, dieser Teller geht so nicht, der muss besser in Szene gesetzt werden?
Eschgfeller: Tatsächlich machen wir jeden Abend eine Tellerbesprechung. Wir richten den Teller an und diskutieren darüber. Da fließen dann auch Inputs aus den Socials ein.

Ist das ein Angriff auf den Chef? Lassen Sie das zu? Heiss: Unbedingt. Bei uns werden auch Teller besprochen. Es ist wichtig, dass die Jungen in die Entscheidungsfindung eingebunden werden. Damit zeigen wir ja, wie wir sie wahrnehmen und wie wichtig sie uns sind.

Waren sie immer so cool?
Heiss: Ich will, dass die Jungen aufblühen, dass sie eine gesunde Einstellung kriegen zu sich selbst, zu ihrem Körper und zu ihrer Gesundheit. Jeden Nachmittag laufe ich zehn Kilometer, da müssen die Jungen mit. Nicht alle schaffen die ganze Strecke. Aber das ist egal ... Und am Abend schicke ich sie zu den Gästen hinaus, sie müssen ihre Gerichte selbst präsentieren. Warum soll das immer ich machen? Ich gebe Verantwortung ab. Dafür arbeite ich mit einem eingeschworenen Team.

Das klingt, als wäre Arbeiten in der Gastronomie ein Kuschelerlebnis. Tatsächlich klagt die Branche über extremen Fachkräftemangel. Warum wollen die Jungen nicht zu Ihnen?
Fauster: Die Branche hat einen schlechten Ruf. Von früher. Man musste lange arbeiten, es gab keinen freien Tag, das ist die Wahrheit, das war so. Heute ist vieles anders. Es gibt so viele Chancen, in der Gastronomie zu wachsen. Ich sage immer, wir brauchen einen Influencer, der in der Gastro arbeitet und vermittelt, was hier wirklich passiert.

Wo gibt es Konflikte zwischen den Generationen?
Fauster: Wenn dieser Satz fällt: Nein, das haben wir schon immer so gemacht, und jetzt werden wir nicht anfangen, hier etwas Neues zu erfinden. (alle lachen) Das hält uns oft auf. Warum können wir nicht etwas Neues probieren?
Eschgfeller: Stillstand ist Rückstand. Das ist ein Leitsatz der Gen Z. Keiner von uns will still stehen, jeder will weiterkommen. Abblocken, das geht nicht.
Heiss: Man muss bereit sein, aus der Komfortzone auszubrechen. Viele wollen das nicht. Die Ältesten der Generation Z sind heute Ende 20.

Was erwarten sie, wenn sie als Gast kommen?
Fauster: In der Regel sind sie sehr anspruchsvoll. Sie kommen mit wahnsinnigen Erwartungen. Oft zeigen sie schon an der Rezeption ein Instagram-Bild und fragen: Wie komme ich da hin? Auf der anderen Seite sind sie unsicher. Wir haben z. B. 37 Zimmer, jedes anders, das überfordert die Leute oft schon beim Buchen. Sie können sich schwer einlassen auf etwas, was nicht ihrer Vorstellung entspricht. Beim Essen zeigt sich das so, dass bestellt wird, die Kinder es dann aber nicht mögen. Dann wird alles zurückgeschickt und neu bestellt. Wenn die Kinder dann wieder nicht aufessen, bleibt es halt am Teller. Darüber erschrecke ich.
Heiss: Das Essverhalten hat sich mit der Gen Z komplett verändert. Überhaupt das Bewusstsein für Essen. Alles soll nachhaltig sein, no waste ist wichtig, es geht um Tierwohl. Früher war ich Fleischkoch. Heute sind 50 Prozent meiner Gerichte vegetarisch. Die Jungen sind viel sensibler als wir früher.

Schwierig, euch zufriedenzustellen?
Eschgfeller: Ja, die Erwartungs haltung ist brutal hoch. Wir sind gewohnt zu kriegen, was wir wollen. Wenn wir in Urlaub fahren oder auch nur essen gehen, wollen wir genau das, was man sich erwartet hat.

Wie schätzen Sie das Durchhaltevermögen der Gen Z ein? Die Boomer gehen in Pension. Machen sie sich Sorgen?
Fauster: Ein bisschen. Wenn die Boomer wegfallen, wird es schwierig werden, jemanden zu finden, der am Wochenende arbeitet, es wird schwer sein, jemanden zu finden, der Überstunden macht in der Küche. Dann denke ich wieder, ich bin auch Gen Z, aber trotzdem jemand, der nicht schnell aufgibt. Nur, ist das die Regel? Wir haben vor kurzem mit einer Praktikantin eine negative Erfahrung gemacht. Praktikanten arbeiten bei uns sechs Stunden, fünf Tage in der Woche, freies Wochenende, keine Abendschicht. Das ist meinen Eltern wichtig. Für dieses Mädchen war das schon zu viel. Ihre Mutter hat sich beklagt und das Praktikum abgebrochen.
Eschgfeller: Ich halte schon lang aus, ohne zu meckern. Mein Vater sagt immer: Auf schlechte Zeiten kommen sicher wieder gute. Und etwas ist in jedem Betrieb, wo man nicht ganz zufrieden ist.

Wie wird die Spitzenküche in zehn Jahren aussehen?
Heiss: Es wird nur noch einen Service am Tag geben. In den großen Städten arbeitet die Topgastronomie schon heute oft in Vier-Tage-Woche, dafür 16 Stunden am Tag. Für die Jungen ist die Sterneküche ohnehin nicht Priorität. Sterneküche ist rigide, sehr präzise, sehr starr. Die Jungen wollen heute entspannt arbeiten. Vielleicht muss sich dafür das Hauben- und Sternesystem ändern. Vor drei Tagen sind mir beim Laufen zwei Gerichte eingefallen, und heute kochen wir die, ohne wochenlange Studien und Verfeinerung. Einfach weil es Spaß macht, uns neu zu erfinden.

Drei im Gespräch. Wer ist wer?
Ronja Eschgfeller, ist Gen Z. Arbeitet nach der Matura 2019 an der Landeshotelfachschule Kaiserhof sechs Mo nate in einer Logistikfirma, bis sie im Feuerstein Nature Family Resort in Pflersch anheuert: „Mir hat der Stress in der Küche gefehlt.“ Ihr Rang: Entremetier, Chef de Partie.
Emma Fauster, ist noch Gen Z. Führt als Juniorchefin das Hotel Drumlerhof in Sand in Taufers, gemeinsam mit ihrer Schwester und den Eltern. Seit 2021 ist sie HGJ Bezirksobfrau im Pustertal.
Egon Heiss, versteht Gen Z. Ist seit 2019 Küchenchef im Castel Fragsburg in Meran. Kochte schon auf der ganzen Welt. Für Menschen, Politiker, Formel 1 Stars, gekrönte Häupter, Milliardäre. 2014 stieg er mit seinem ersten Stern in den Michelinhimmel auf. 2020 wurde auch das Restaurant Prezioso in der Fragsburg mit einem Stern ausgezeichnet.

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