Hausgrillen und Buffalowürmer auf dem Teller
Vor wenigen Tagen hat die Europäische Kommission die Larven des Getreideschimmelkäfers, den sogenannten Buffalowurm, und das Pulver aus Hausgrillen in Lebensmitteln zugelassen. Was einigen Stirnrunzeln und Ekel bereitet, sehen andere als zukunftsträchtige und umweltfreundliche Eiweißquelle.
In der EU müssen Hersteller für jedes Insekt, das sie auf den Markt bringen wollen, eine Zulassung beantragen. Warum das? Lebensmittel, die vor Mai 1997 nicht in der EU in nennenswertem Umfang verzehrt wurden, gelten als „neuartige Lebensmittel“ und benötigen nach einer ausführlichen wissenschaftlichen Prüfung die Zustimmung der EU-Kommission. Dies ist in den vergangenen beiden Jahren bereits für den Mehlwurm, die Wanderheuschrecke und die Hausgrille (im Ganzen) geschehen - bei unseren Nachbarn in der Schweiz sind diese Insekten sogar schon seit 2017 zum Verzehr freigegeben.
Bessere Umweltbilanz
Die Brüsseler Behörde sieht in der Zucht von Insekten als Nahrungsmitteln eine Reihe von Vorteilen: weniger Treibhausgase, weniger Wasser- und Landverbrauch und weniger Lebensmittelabfälle. So sind die CO2-Äquivalente, die bei der Herstellung von einem Kilogramm essbarer Insektenmasse entstehen, dreimal geringer als bei derselben Menge Geflügelfleisch und 20-mal geringer als bei Rindfleisch. Im Durchschnitt können Insekten zwei Kilogramm Futter – und das können Bioabfälle sein – in ein Kilogramm Insektenmasse umwandeln, während Rinder für die gleiche Menge Fleisch acht Kilogramm Futter benötigen. Das liegt unter anderem daran, dass Heuschrecken und Grillen wechselwarme Tiere sind und keine Energie zur Aufrechterhaltung ihrer Körpertemperatur benötigen. Zudem sind ganze 80 Prozent ihres Gewichtes für den Verzehr geeignet.
Gesund und nahrhaft
Essbare Insekten tragen schon länger zur Deckung des Eiweißbedarfs von Nutztieren bei. Aber auch für den Menschen ist der hohe und hochwertige Eiweißgehalt von Vorteil. Er ist mit rund 20 Prozent vergleichbar mit dem von Rind, Schwein oder Pute – gefriergetrocknet sogar deutlich höher, wodurch sich Insekten-Mehle gerade für Sportriegel bestens eignen. Darüber hinaus bieten essbare Insekten Omega-3-Fettsäuren, B-Vitamine und wichtige Mineralstoffe.
Insekten als Delikatesse
Mag es uns auch noch ekeln, in vielen Ländern der Welt, vor allem in Asien, Afrika und Lateinamerika, gelten Insekten schon längst als ein wichtiger Bestandteil der menschlichen Ernährung oder sogar als hochpreisige Delikatesse. Nach Angaben der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) dienen sie über zwei Milliarden Menschen weltweit als Nahrungsquelle. Escamoles, der „mexikanische Kaviar“, besteht beispielsweise aus gekochten Ameisenlarven, die mit Öl und Knoblauch auf Tortillas serviert werden. In Süd-Mexiko und Guatemala gelten mit Schokolade überzogene Heuschrecken als beliebte Süßigkeit bei Kindern. Und auch in Japan isst man sie gern: „Hachi-no-ko“ ist eine Delikatesse, und das sind Bienen- und Wespenlarven, in einer klassischen Kombination aus Sojasauce und Zucker gebraten.
Insekten-Züchter statt Milch-Bauern?
Die Zulassung der vier Insekten als Lebensmittel in der EU gilt zunächst nur für die Antragsteller. Das sind derzeit zwei Unternehmen aus den Niederlanden, eines aus Frankreich und eines aus Vietnam. Landwirte dürften daher von Insekten als Lebensmitteln nur dann profitieren, wenn sie als Vertragsbauern für einen dieser Betriebe in Frage kommen. Auch wenn in Österreich bereits kleine Insekten-Farmen entstehen und auch in Südtirol der eine oder andere mit der Mehlwürmer-Zucht liebäugelt, wird dies wohl bei uns noch länger eine sehr kleine Marktnische bleiben.
Auf der Speisekarte
Denn so wie in andere Kulturen Schweine- und Rindfleisch tabu sind, scheinen Insekten in unseren Köpfen immer noch eher Plagegeister als Delikatessen zu sein. Ob und wie Insekten den Weg auf unseren Speiskarten finden, bleibt also abzuwarten. Aber wer weiß: Auch Sushi - mit Algen, leicht säuerlichem, klebrigem Reis und rohem Fisch – war in unseren Breitengraden anfangs doch gewöhnungsbedürftig.
Insekten oder Insektenpulver sind momentan in vielen Produkten erlaubt, so beispielsweise in Brot, Nudeln oder auch Schokolade – allerdings werden sie sicher nur dann eingesetzt, wenn der verhältnismäßig sehr teure, neue Rohstoff ein Verkaufsargument darstellt. Aufpassen muss, wer allergisch auf Krebs-, Weichtiere oder Hausstaubmilben reagiert, da er diese Reaktion auch bei Insekten zeigen kann. Daher sollte bei den zugelassenen Insekten wie Hausgrillen in unmittelbarer Nähe darauf hingewiesen werden, dass diese Zutat bei diesen Personen allergische Reaktionen auslösen kann.