Aus dem Leben einer Food-Nomadin
Antje de Vries‘ Mission: Menschen mit Essen zu inspirieren und zu verbinden
Antje de Vries, 42, aufgewachsen an der ostfriesischen Küste, entdeckt während eines Schüleraustausches in Texas ihre Liebe zum Essen und Kochen. Und beschließt, nach dem Abitur eine Ausbildung zur Köchin zu machen. Doch damit nicht genug: Es folgt ein Studium der Lebensmittelwirtschaft, das sie erfolgreich abschließt. Schon bald aber vermisst Antje de Vries die Küche und ihre Menschen und kehrt in die Gastronomie zurück. Bis heute arbeitet sie mit Köchen und Gastronominnen in aller Welt zusammen, hat Kochbücher geschrieben, ist als Beraterin für das Frankfurter Unternehmen „F&B-Heros“ unterwegs und engagiert sich sozial - denn Kochen verbindet. Vor Jahren beschloss sie, dass ihr Lebensstil keinen festen Wohnsitz erfordert. Und lebt seitdem als kulinarische Nomadin – immer auf der Durchreise, und immer bemüht, Menschen mit Essen zu inspirieren. Wo Antje de Vries die Zukunft der Gastronomie sieht, wer sie in der Szene beeindruckt und wo sie sich gerade aufhält, das hat sie Bettina Schmid, Leiterin des Gustelier – Atelier für Geschmackserfahrung, erzählt.
Frau De Vries, welche Veränderung nehmen Sie derzeit in der Gastronomie wahr?
Antje De Vries: „Ich glaube, wir stehen gerade an einem spannenden Wendepunkt: Die Welt erkennt, dass wir uns alle nachhaltiger aufstellen müssen, gerade um kulturell und gesellschaftlich so wertvolle Bereiche wie die Gastronomie und Hospitality zu erhalten. Gleichzeitig fehlt es noch an Lösungen, Ideen und Energie, aber das packen wir ja zusammen an. Wir Köche und Köchinnen, Gastronomen und Gastronominnen können die Helden dieser Zeit sein! Eine grandiose Chance!“
Sie sehen es also als spannende Herausforderung - welche Aspekte sind aus Ihrer Sicht aber die wichtigsten, um Küche und Gastronomie zukunftsfähig zu machen?
„Ich denke, wir sollten uns mit der Natur, die uns umgibt und ihren Produkten wieder mehr beschäftigen. Sie auf unsere Art und Weise ansprechend, kreativ und mit der eigenen Handschrift inszenieren und auf die Teller bringen. Dafür brauchen wir alle: die Alten mit ihren Erfahrungen über Traditionen und alte Gerichte und die Jungen mit neuen Ideen, Neugier, Mut und Tatendrang. Dabei hilft es sehr, wenn wir für alle offen sind, unabhängig vom Geschlecht oder kultureller Herkunft. Die Gastronomie ist ein Ort der Gemeinschaft - beim Team und den Gästen!“
Von wem können wir uns was abschauen? Gibt es aktuell Köchinnen oder Köche, die Sie besonders inspirieren?
„Puh, ich denke alle, die sich mit Neugier, Kreativität und Weltoffenheit mit den Orten, an denen sie kochen, beschäftigen. Dazu gehört sicher Chiara Pavan in Mazzorbo, Rebecca Clopath in Lohn in der Schweiz oder auch Milena Broger in Bregenz und Ethel Hoon und Jakob Zeller, die bis vor kurzem in Klösterle in Österreich wirkten, sowie René Stein in Nürnberg und Ricky Saward in Frankfurt. Tolle junge Leute mit Herz, Mut und Talent.“
Sie haben auch schon öfters Südtirol besucht – was fällt Ihnen hier bei uns kulinarisch auf?
„Hach, ich mag ja die ganze Gastro im tollen Südtirol und kann mich kaum entscheiden. Besonders beeindruckt hat ich zum Beispiel das Meteo in Meran - Kulinarik, Kultur und coole Leute!“
Sie sind als „kulinarische Nomadin ohne festen Wohnsitz“ bekannt und viel unterwegs – oft für Ihre beratende Tätigkeit für namhafte Hotels und Gastronomien, oft aber auch im sozialen und gemeinnützigen Bereich - wo treffen wir Sie heute an?
„Ich bin zurzeit in Tumaco, Kolumbien im Namen der „Cuisines sans Frontières“ (ein 2005 in Zürich gegründeter gemeinnütziger Verein, der in Krisengebieten gastronomische Treffpunkte und Ausbildungsstätten aufbaut – Anmerkung der Redaktion). Die Gegend hier ist gebeutelt vom bewaffneten Konflikt im Rahmen des Kokainanbaus und -schmuggels. Inmitten eines illegalen Stadtteils gibt es ein Jugendzentrum für die lokalen Afros. Und genau hier möchten junge Leute das Kochen und gesunde und nachhaltige Ernährung erlernen – und darin begleiten die Organisation und ich sie. Wir machen Workshops, gehen zusammen gesund und nachhaltig einkaufen und kochen kreativ. Vielleicht gibt ihnen die Freude am Kochen Hoffnung und Aussicht auf eine berufliche Zukunft in der Gastronomie statt in der Drogenkriminalität.“
Antje de Vries ist Gast bei der hgv-Fachtagung am 23. Oktober und referiert zu aktuellen Food- und Gastronomietrends.